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Im Interview: Suse Petermann von „Der Stiefmutter Blog“

Der Stiefmutter Blog

Die Kinder meines Partners akzeptieren mich nicht, seine Ex-Frau macht uns das Leben zur Hölle, meine Bedürfnisse nimmt niemand ernst …

So oder ähnlich klingt es oft, wenn die Menschen sich an Suse Petermann wenden. Die Journalistin betreibt seit etwas über einem Jahr den Stiefmutter Blog und hat sich seitdem zur wichtigsten Anlaufstelle für Frauen (und auch Männer) entwickelt, die Probleme mit den Kindern ihrer Partner aus einer früheren Beziehung haben. Anlass dafür waren die Schwierigkeiten, auf die sie selbst mit den Kindern ihres Ehemannes stieß.

Suse Petermann schildert die Schwierigkeiten, die auftauchen können, wenn Familien sich neu zusammensetzen, sie lässt Betroffene zu Wort kommen und versucht darüber hinaus, auch auf politischer Ebene etwas zu verändern. Vor einiger Zeit stellten wir schon das Buch zum Blog vor. Jetzt kommt Suse selbst zu Wort.

Du bist Deutschlands Stiefmutter-Expertin Nr. 1 – wie kam es dazu?

Danke für die Blumen. Wahrscheinlich liegt es an mehreren Faktoren. Ich habe nicht nur mich selbst als Stiefmutter, sondern mittlerweile auch viele andere Frauen und ihre Geschichten öffentlich gemacht. Das hat einen unglaublichen Effekt. Die Frauen merken plötzlich, dass sie nicht allein sind.

Dazu kommt: Ich verurteile keine Stiefmutter. Keine. Auch die nicht, die ihre Stiefkinder auf den Mond schicken möchten. Damit helfe ich ihr und den Kindern nämlich nicht. Viel besser ist es, zu hinterfragen und ernst zu nehmen. Es kümmert sich ja sonst niemand, außer einigen Psychologen, um uns und unsere Themen.

In der Öffentlichkeit werden wir kaum wahrgenommen. Staatliche Beratung oder Anlaufstellen gibt es keine. Der Stiefmutter Blog ist ein echtes Ventil. Hier können Vizemoms Fragen stellen, bekommen Tipps und finde im Zweifel sogar Frauen in ihrer Nähe, mit denen sie sich austauschen können.

Die Resonanz auf deinen Blog ist riesengroß, das Thema bewegt offensichtlich sehr viele Menschen. Hast du damit gerechnet, dass die Aufmerksamkeit so groß sein würde?

Jein. Mir war zwar klar, dass ein Bedarf besteht, aber welche Eigendynamik sich daraus entwickeln würde, ahnte ich nicht.

Anfänglich ging es eher darum, das Leben einmal aus der Sicht einer Stiefmutter zu beschreiben. Wie die neue familiäre Situation sich für sie anfühlt, wurde bisher kaum thematisiert. Eine Vizemom hat sich halt einzufügen, sonst droht ihr das Attribut „böse“. Wie sie ihren Platz finden soll, inwiefern ihr da auch Steine in den Weg gelegt werden, interessiert niemanden.

Womit ich nicht gerechnet hätte, war die ungeheure Hilfsbereitschaft der Frauen untereinander. Eine schildert ihre Situation und ganz viele Frauen geben Ratschläge und Hilfestellung. Auf meinem Blog helfen Stiefmütter anderen Stiefmüttern, echte Expertinnen also.

Auf deinem Blog gibt es viele Geschichten rund um das Thema Patchwork-Familie, das Buch dazu kennen wir auch schon. Aber das sind noch lange nicht alle Aktivitäten. Was hast du noch alles angeschoben?

Es gibt es eine mittlerweile sehr große Kontaktliste mit Stiefmüttern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Austausch in Ihrer Umgebung suchen. Ich habe Patchwork-Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland initiiert und ich bin politisch tätig, um die Situation für Stiefmütter zu verbessern.

Alles innerhalb von einem Jahr, nicht schlecht, oder?

Worauf bist du besonders stolz?

Genau darauf! Und ich bin auch stolz wenn ich Frauen beim Umdenken helfen kann. Viele halten ihre jeweilige Situation für einmalig, kommen gar nicht auf die Idee, dass etliche Problemstellungen ihre Ursache nicht in ihrer individuellen Person haben, sondern in ihrer „Rolle“ als zweite Frau eines Mannes mit Kind. Ich denke, da habe ich schon einige Denkanstöße und Hilfestellungen gegeben.

Jedenfalls bekomme ich viele Mails, in denen mir Frauen schreiben, dass sie die Situation viel besser handeln können, seitdem sie auf dem Blog mitlesen. Und ich bin auch stolz, wenn mir Mütter oder Stiefkinder schreiben, dass sie jetzt viel mehr Verständnis für die Vizemom haben.

Was sind die gängigsten Probleme, die in Patchworkfamilien auftauchen?

Mangelnde Kommunikation, beziehungsweise mangelnde Kommunikationsbereitschaft. Entweder sprechen die leiblichen Eltern nicht mehr miteinander oder es wird viel über den Kopf der Stiefmutter hinweg ausgemacht. Sie fühlt sich dann fremdbestimmt, gerade bei Dingen die auch ihren Alltag betreffen. Geld ist auch oft ein Problem, aber wem fehlt das nicht?

Welchen Rat gibst du einer Frau, die sich in einen gebrauchten Mann verliebt. Also einen, der schon Kinder aus einer früheren Beziehung hat?

Definiere dich nicht zu sehr über deine neue Rolle als Stiefmutter. Bleibe einfach du selbst, sei deinem Mann eine gute Partnerin und versuche, dich ein wenig in die Kinder hinein zu versetzen.

Und ganz wichtig: lasse dir Zeit und nimm nicht alles persönlich. Damit ist viel Druck weg.

Viele Frauen haben einen großen Anspruch an sich selbst. Sie wollen perfekt sein – und im Zweifel besser als die Ex. Als Partnerin kannst du das gerne versuchen, als Mutter wirst du damit aber zu 98 % scheitern. Das hat nichts mit der Frau selbst zu tun, aber viel damit, dass sie eben nicht die Mutter ist.

Und – vielleicht noch wichtiger – welchen Rat gibst du einem Paar mit gemeinsamen Kindern, das sich trennt?

Macht euer Problem nicht zu dem eurer Kinder. Zieht sie nicht hinein in eure Konflikte und macht sie nicht zu euren Verbündeten gegen den/die Ex. Nur weil der kein guter Ehemann war, ist er noch lange kein schlechter Vater. Und nur weil deine Ex und die Kinder jetzt nicht mehr mit dir unter einem Dach leben, sind deine Kinder nicht aus der Welt. Bleibt Eltern, alle beide.

Damit geht es den Kindern eigentlich am besten.

Viele der Geschichten, die du auf dem Stiefmutterblog erzählst, sind unglaublich traurig. Bedrückt dich das nicht? Wie gehst du damit um?

Schwieriges Thema. Das liegt wohl in der Natur der Sache. Meiner Freundin erzähle ich auch eher selten von den vielen netten Abenden mit meinem Mann, aber wenn es mal Ärger gibt, bitte ich sie um Rat. Ich möchte aber auch kein „Hey, mit etwas gutem Willen ist alles klasse“-Blog sein und die Welt in eine rosa Wolke tauchen. Das wäre nun mal Meilen an der Realität vorbei. Stiefmutter werden oder sein ist nie einfach. Selbst wenn es gut läuft, kompliziert ist es immer.

Aber generell ist mein Motto: Humor hilft. Und es finden sich ja auch viele positive Geschichten oder Beiträge, die einfach nur sachliche Informationen geben.

Welche Geschichte ist dir am meisten zu Herzen gegangen?

Es ist nicht eine einzelne Geschichte, aber alle stammen aus der gleichen Rubrik. Es geht um Kontaktabbruch, dass nach einer Trennung ein Elternteil aus dem Leben der Kinder verschwindet. Entweder, weil es sich verpieselt oder weil es entsorgt wird. Alle Geschichten, die mit Kontaktabbruch zu tun haben, gehen mir sehr nahe. Sowohl aus der Sicht des entsorgten Elternteils, als auch aus der Sicht der Kinder.

Wie sehen deine Pläne für die nächste Zeit aus? Was möchtest du mit dem Blog und deinen Aktivitäten zum Thema Stiefmütter gern erreichen?

Der Weg ist das Ziel. Ich, beziehungsweise mein Stiefmutterblog, möchte für Vizemoms auf ihrem Weg eine Art Begleitung sein. Gerade in den Anfangsjahren ist es nicht immer leicht, seinen Platz in dieser filigranen Familienkonstellation zu finden. Da ist es hilfreich, Frauen zur Seite zu haben, die den Weg bereits gegangen sind.

Wie ist eigentlich deine persönliche Geschichte weitergegangen? Also der Anlass dafür, das Stiefmutter-Thema so umfassend zu behandeln?

Bei uns hat sich nicht viel verändert. Seine Kinder studieren mittlerweile alle im Ausland, zwei sehen wir häufig, da ist alles prima. Bei dem anderen Kind herrscht nach wie vor Funkstille. Aber meine Recherchen für das Buch und die vielen, vielen Gespräche mit anderen Stiefmüttern haben dazu beigetragen, dass ich das nicht persönlich nehme. Damit geht es mir und uns gut.

Infos zu Suse Petermann

Susanne Petermann

Susanne Petermann

Susanne Petermann ist freie Journalistin und baute in den 1980er-Jahren den ersten privaten Rundfunksender in Deutschland auf. Danach arbeitete sie für eine TV-Produktion und eine Plattenfirma und schreibt seit mehr als 20 Jahren u. a. für „Bild“, „Stern“, „Bunte“ und diverse Frauenzeitschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie lebt in der Nähe von Oldenburg und ist mit einem geschiedenen Mann und Vater von drei Kindern verheiratet.

Ausführliche Statistiken zu Patchwork- und Stief-Familien gibt es beim Bundesamt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

3 Kommentare

  1. Avatar-Foto
    Ilona Resch sagt

    Susanne Petermann hat sehr viel bewirkt!? Ich war eine kleine hilflose Vollzeit-Stiefmutter kurz vorm Zusammenbruch. Dank Stiefmutterblog hat sich sehr sehr viel verändert. Ich habe wieder Selbstbewusstsein!
    Fürs Fernsehen mehrmals gedreht und viele Zeitungsinterviews gegeben um auf die Situation der Stiefmütter aufmerksam zu machen.
    Heute leite ich eine Selbsthilfegruppe und bin stellvertretender Vorstand im Gleichmass eV.

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