Endlich mal der Bestimmer sein, den Großen sagen, was sie zu tun und zu lassen haben und selbst keine Vorschriften mehr bekommen – davon träumen wohl alle Kinder regelmäßig.
Die Kinder meines geschätzten Kollegen Jochen Metzger kamen vor ein paar Jahren tatsächlich für vier Wochen in den Genuss, die Rollen mit ihren Eltern zu tauschen. Sie waren damals 13 und 10 Jahre alt, also genauso alt wie meine Kinder jetzt sind.
Und zu meinem Glück hat Jochen auch noch ein Buch über das Experiment geschrieben: „Alle Macht den Kindern“*.
Inhalt
Alle Macht Laura und Johnny
Zum Zeitpunkt des Experiments wohnte Jochen mit seiner Frau Helga und den Kindern Laura (13) und Johnny (10) im Hamburger Umland, eher ländlich gelegen.
Bevor die Familie mit dem Selbstversuch startete, setzten sich alle Beteiligten zusammen und legten die Regeln fest. Grundsätzlich sollen Laura und Johnny vier Wochen lang die Aufgaben und Rechte ihrer Eltern übernehmen und andersrum. Logische Ausnahme: Autofahren.
Die Kinder bekommen eine Haushaltskasse, die sie selbständig verwalten, sie teilen den Eltern Taschengeld zu. Die Eltern geben ihre Kredit- und EC-Karten ab, sodass sie nicht schummeln können.
Im Anschluss an die Vorgeschichte schildert Jochen den Verlauf des Experiments in chronologischer Form, die Kapitel tragen also die Namen Tag 1 bis Tag 30.
Fernsehen, ungewohnte Verantwortung und Geldmangel
Um es gleich mal vorweg zu nehmen: Bei Familie Metzger brach im Laufe der vier Wochen nicht die totale Anarchie aus. Eher im Gegenteil: Der Laden lief ziemlich geordnet weiter. Und doch ist es sehr spannend zu lesen, wie sich das Familienleben in der Zeit entwickelt.
Während Sohn Johnny mit seinen zehn Jahren all das tat, was er schon immer tun wollte (z. B. exzessiv Fernsehen), übernahm seine Schwester die Organisation des Alltages und legte in einigen Punkten eine beachtliche Strenge an den Tag.
Größtes Problem der Familie: Das gemeinsam festgelegte Budget von 700 Euro für die ganze Familie erwies sich recht schnell als zu knapp kalkuliert. Dabei hatten die Kinder anfangs sogar gehofft, sich eine Spielkonsole davon abzweigen zu können …
Alle Macht den Kindern – mein Fazit
Das Experiment von Jochen Metzger und seiner Familie klingt nicht nur spannend, es liest sich auch so. Natürlich gab es auch hier mal Tage, an denen eigentlich nicht so viel passierte. Doch darum geht es bei einem solchen Rollentausch ja auch. Wie fühlt er sich im Alltag an, wie entwickeln die Teilnehmer sich im Laufe der Wochen.
Dies schildert Jochen sehr unterhaltsam, dabei immer sehr feinfühlig und reflektiert. An vielen Stellen unterfüttert er seine Eindrücke mit psychologischen Hintergrundinformationen und spricht auch mit Experten, wie zum Beispiel einem befreundeten Juristen.
Ich habe „Alle Macht den Kindern“ in einem Rutsch durchgelesen und denke, auch meinen Kindern würde gefallen, es zu lesen. Ein toller Selbstversuch mit sympathischen Akteuren, dazu super geschrieben. Sollte euch das Buch in die Finger fallen, kann ich euch die Lektüre nur empfehlen. Viel Spaß beim Lesen!
Weitere Informationen zum Buch
Titel: „Alle Macht den Kindern – Ein Selbstversuch“*
Inhalt: »Kinder an die Macht« ist spätestens seit Grönemeyers Hit ein gängiger Slogan. Was aber passiert, wenn man wirklich die Verantwortung in der Familie komplett auf die Kinder überträgt? Jochen Metzger wagt mit seiner Frau Helga den Selbstversuch. Einen Monat lang übernehmen Tochter Lara, 13, und Sohn Jonny, 10, das Kommando.
Sie verwalten die Familienkasse, entscheiden, was es zu Mittag gibt, wann die Eltern Fernsehen dürfen und zu Bett gehen müssen. Selbst Schule schwänzen ist drin. Ein Buch über leere Kühlschränke, knurrende Mägen und stapelweise Abwasch; aber auch über Freiheit, Verantwortung und Vertrauen.
Paperback: 192 Seiten
Verlag: Patmos
ISBN: 978-3-8436-0083-5
Preis: € 16,90
Der Autor
Jochen Metzger ist nach einem Studium der Germanistik und Psychologie als freier Journalist für verschiedene Zeitschriften tätig, u.a. für Psychologie Heute, Zeit Wissen, brand eins und Für Sie.