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Smart Toys? Wieso vernetzte Spielzeuge nicht unter den Weihnachtsbaum gehören

Smart Toys
Gastbeitrag von Jessica Wawrzyniak

„Smarte“ Spielzeuge stehen auch in diesem Jahr wieder auf den Wunschzetteln von Kindern. Sprechende Plüschtiere, sprechende Puppen, interaktive Bilderbücher, Spielzeug-Roboter oder Smartwatches für Kinder.

So viel Spaß Kind mit diesem Spielzeug auch hat: Dahinter verbergen sich oftmals Unternehmen und Konzerne, die darauf lauern, Daten von Kinder abzugreifen.

Welche Daten sammeln vernetzte Spielzeuge?

Stammdaten (Name, Adresse, Alter, E-Mailadresse,…), Nutzungsdaten (Dauer der Nutzung, Uhrzeit der Nutzung, …), aber auch – je nach Spielzeug – Fotos und Sprachaufzeichnungen.

Denn wenn ein Spielzeug mit Kindern kommunizieren und interagieren soll, funktioniert dies mit integrierten Mikrofonen und Sprachassistenten. Die Mikrofone zeichnen Gespräche im Kinderzimmer auf und die programmierten Sprachassistenten reagieren, wenn bestimmte Stichwörter fallen. Ähnlich, wie wir es von Alexa oder Siri kennen – nur „kindgerecht verpackt“.

Wenn ein Spielzeug mit einer Kamera ausgestattet ist, werden auch Fotos oder Videos von Kindern aufgenommen.

Alle diese Daten werden – sofern eine Netzverbindung besteht – auf den Servern der jeweiligen Unternehmen gespeichert. Nur wenige Spielzeuge beschränken sich darauf, entsprechende Daten lokal auf dem Gerät zu speichern, sondern schicken diese alle „nach Hause“ – zu den Servern der Unternehmen.

Was anschließend mit diesen Daten passiert, kann in den jeweiligen Datenschutzerklärungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nachgelesen werden. Auch die Möglichkeit von Fremdzugriffen auf diese Daten, z.B. durch gezielte oder zufällige Hackerangriffe, muss mitbedacht werden. Somit spielt es nicht nur eine Rolle welche Daten wo und wieso gespeichert werden, sondern auch wie sie geschützt werden.

Einige Beispiele, welche Spielzeuge Sie meiden sollten, finden Sie auf der Website von Digitalcourage e.V. im Beitrag „Vernetztes Spielezug? Alles, nur nicht smart!“.

Was macht die Daten von Kindern so interessant?

„Smarte“ Geräte, egal ob Smart TVs, Smartphones oder vernetztes Spielzeug, senden die gesammelten Daten an Server der Unternehmen, die oft in anderen Ländern stehen und anderen Datenschutzbestimmungen unterliegen, mit denen wir hierzulande nicht einverstanden sind – auch die Daten von Kindern.

Kinderdaten sind besonders wertvoll, weil Kinder bis zum Alter von sieben Jahren nicht – und ab 16 Jahren nur eingeschränkt – geschäftsfähig sind und somit weniger Daten von sich preisgeben. Die Daten von Kindern sind also rar.

Unternehmen machen mit Daten aber viel Geld: Sie verkaufen sie für weitere Analysen, um das allgemeine Verhalten der Menschen, ihr Konsumverhalten und ihr Kaufverhalten zu analysieren. Die Kinder von heute sind die Kaufkraft von morgen. Kinderdaten zu analysieren, ist für Unternehmen also eine doppelte Investition: Für heute und für die Zukunft. Das macht die Daten besonders wertvoll.

Wer Kindern eine Smartwatch ans Handgelenk schnallt oder „intelligentes“ Spielzeug kauft, verschenkt bereitwillig die Daten seiner Kinder. Das muss dringend unterbunden werden – für die Kinder!

Smartwatches für Kinder

Ganz brisant ist die Nutzung von Kindersmartwatches. Diese sammeln etliche Daten und insbesondere Standortdaten.

Immer mehr Anbieter stellen diese schicken, kleinen Uhren für Kinder zur Verfügung, die mehr können als nur die Uhrzeit anzuzeigen: Spiele spielen, Sprachnachrichten verschicken, Telefonieren und GPS-Ortung sind die gängigsten Funktionen, die die Mini-Computer am Handgelenk mitbringen.

Viele dieser Uhren verfügen über eine App, mit der Eltern ihre Kinder auf Schritt und Tritt überwachen können. Die Hersteller spielen mit den Ängsten von Eltern und stellen die Ortungsfunktion besonders heraus. Es lesen sich Werbetexte wie „Kontrolle ist gut – Überwachung ist besser.“

Nein! Ãœberwachung ist nicht der richtige Weg!

Hier werden Kinderrechte verletzt, denn auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Durch die Nutzung von Kinder-Smartwatches ist der „Schutz“, den Eltern sich so sehr erhoffen, nicht gegeben und außerdem ist Überwachung schlecht für das Eltern-Kind-Verhältnis.

Gute Gründe gegen Kindersmartwatches

  1. Wo Sicherheit draufsteht, steckt oft keine Sicherheit drin. In den wenigsten Fällen stecken professionelle Entwickler.innen hinter der eingebauten Technik. Es handelt sich oft um Billigproduktionen, bei denen die zuverlässige Funktion in Frage gestellt werden kann.
  2. Überwachung bringt keine Sicherheit. Kein Tracker verhindert, dass einem Kind etwas passiert. Aufklärung über gefährliche Situationen ist der Schlüssel.
  3. Kontrolle führt zu größeren Ängsten. Es kann sich schnell ein Kontrollzwang bei Eltern entwickeln. Weicht das Kind ein wenig von der Norm, z.B. vom Schulweg, ab, ist das für Eltern ein Grund in Panik zu verfallen. Dieses Phänomen finden wir besonders häufig bei sogenannten „Helikopter-Eltern“, die ihre Kinder überbehüten.
  4. Überwachung entmündigt Kinder. Ihnen wird vermittelt, dass sie nicht stark genug seien, Schutz benötigen und in einer gefährlichen Welt leben. Das verändert den Charakter des Kindes – nicht zum Positiven.

Ausführlichere Informationen, wieso die Überwachung von Kindern über Smartwatches keine gute Idee ist: „Vernetztes Spielzeug? Alles, nur nicht smart!“

Exkurs: Kinder-Tracking

Die gemeinnützige Organisation Digitalcourage e.V. hat sich auch in der Vergangenheit schon mit dem Thema Kinder-Tracking beschäftigt. Anfang 2018 wurde es um den sogenannten „Schutzranzen“ der Firma Coodriver GmbH sehr turbulent. Dabei handelte es sich um ein Trackingsystem, das in Schulranzen von Kindern und im Smartphone der Eltern untergebracht werden sollte.

Zunächst gab es eine Funktion, mit der Eltern den Standort ihres Kindes bestimmen konnten. Doch nach zahlreicher Kritik, entdeckten Sicherheitsproblemen und nicht abgeschlossenen Überprüfungen durch Aufsichtsbehörden, wurde die Funktion entfernt. Übrig blieb die Möglichkeit für Autofahrer.innen, zu überprüfen, ob sich im näheren Umkreis Kinder befinden.

Digitalcourage hat die Missstände damals teilweise aufgedeckt, dokumentiert und öffentlich gemacht, wodurch die Coodriver GmbH mit einer Abmahnung gegen Digitalcourage drohte, um die – angeblich ungerechtfertigte – Berichterstattung zu unterbinden. Geschehen ist dann nichts, aber es wurde ruhiger um den „Schutzranzen“, da zumindest Kooperationspartner überzeugt werden konnten, dass Kinder-Tracking keine Lösung ist und nichts mit echter Sicherheit im Straßenverkehr zu tun hat.

Weiteres dazu kann auf https://digitalcourage.de unter dem Stichwort „Schutzranzen“ nachgelesen werden.

Dieses Projekt hat sich vorerst erledigt, aber wir müssen uns auch in Zukunft auf ähnliche Projekte gefasst machen – egal, ob die Tracker in Schulranzen, Spielzeugen, Uhren oder Schuhen untergebracht werden. Wir müssen gemeinsam für die Rechte unserer Kinder kämpfen.

Aufklärung: Der Wert unserer Daten

Kinder und Erwachsene müssen begreifen, wie wertvoll personenbezogene Daten heutzutage sind. Egal, ob es sich um PayBack-Rabatt-Aktionen, Kundenkarten oder kostenlose Apps handelt: Wo kostenlos draufsteht, bezahlen wir mit unseren Daten und machen uns selbst zur Ware.

Der gemeinnützige Verein Digitalcourage hat ein Buch herausgegeben, das die Grundsätze von Datenschutz und Datensparsamkeit leicht verständlich aufarbeitet. Aufgebaut wie ein Lexikon, umfasst das Buch 137 Begriffe aus dem Bereich der Mediennutzung. Algorithmen, Cybermobbing, Clickbaiting, Fake News, GPS, Influencer,… die Themen sind breit aufgestellt, haben aber alle einen gemeinsamen Nenner: „Schütze dich und deine Daten!“

Das Buch wird bereits an Schulen im Unterricht eingesetzt und kann den Bedürfnissen der Kinder entsprechend angepasst werden. Es sind Themen dabei, die schon für Kinder in der Grundschule geeignet sind und Themen, die erst im Jugendalter an Relevanz gewinnen, aber präventiv aufgenommen werden sollten. Alle Texte sind leicht verständlich formuliert und es gibt kleine Aufgaben zum Mitmachen und Mitdenken, sowie begleitendes Unterrichtsmaterial, das stets weiterentwickelt wird.

Das Buch zum Thema

Titel: #Kids #digital #genial – Das Lexikon von App bis .zip*

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Inhalt: Was ist ein „Browser“? Wie funktioniert ein „Algorithmus“? Und wofür sind „Cookies“ eigentlich da?

Du hast bestimmt schon von diesen Begriffen gehört, aber kannst du sie auch anderen erklären? Das können nur sehr wenige – und du kannst nun dazu gehören! Das #kids #digital #genial-Lexikon umfasst über 100 Begriffe rund um Netz, Digitalisierung und Mediennutzung.

Du wirst das Internet, dein Smartphone und deine eigene Mediennutzung von einer ganz anderen Seite kennenlernen – mit Respekt vor persönlichen Daten und Privatsphäre.

Wieso bekomme ich unerwünschte Mails? Wie erkenne ich Fake News? Und was muss ich beim Veröffentlichen von Fotos beachten?

Endlich gibt es Antworten, auch auf Fragen, die du dir noch nie gestellt hattest. Und es gibt auch viele kleine Aufgaben zum Mitmachen und Mitdenken. Mach mit! Schütze dich und deine Daten!

#kids #digital #genial findet Technik, Medien und das Internet super und unverzichtbar, aber den Schutz von privaten Daten genauso. Lerne mit ein paar Tipps und Tricks, wie beides zusammen geht und werde zum Profi im Netz!

Gebundene Ausgabe: 68 Seiten
Autorin: Jessica Wawrzyniak
Hrsg.: Digitalcourage e.V.
Verlag: Art d’Ameublement
ISBN-13: 978-3934636187

Die Autorin

Jessica WawrzyniakJessica Wawrzyniak ist Medienpädagogin bei Digitalcourage e.V.

Ihr Anliegen ist es, einen niedrigschwelligen Zugang zu den Themen Datenschutz und Datensparsamkeit zu schaffen. Sie setzt auf Prävention, um Kinder zu digital mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen, die kritische Fragen stellen, selbstständig und reflektiert handeln und sich nicht zu gläsernen Menschen machen lassen.

Weitere Infos für Eltern und Lehrkräfte: https://kidsdigitalgenial.de/unterricht

Smart Toys

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4 Kommentare

  1. Avatar-Foto

    Danke für diesen Artikel! Ich finde, man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass der Wunsch nach ständigem „Zugriff“ aufs Kind durch GPS-Tracking oder andere Techniken eine Kapitulation vor der Angst ist. Selbst mit allen technischen Gadgets zusammen erhält man nur eine trügerische Sicherheit, beugt sich aber dem Diktat der Angst und lebt das zudem seinen Kindern vor: Sich immer sorgen, das Schlimmstmögliche erwarten. Das Gegenteil sollte sicherlich nicht Blauäugigkeit sein – aber sich ständig mit allen denkbaren Gefahren auseinanderzusetzen macht das Leben definitv weniger lebenswert.

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