Jetzt mal unter uns: Wer darüber nachdenkt, eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen, denkt an vieles. Elternabende gehören nicht dazu, ebenso wenig wie Magen-Darm-Infektionen, Schweißfüße bei Teenagern oder nächtelanges Umhertragen schreiender 5-Kilo-Pakete.
Die Wahrheit allerdings ist: Das Leben mit Kindern besteht nicht allein aus strahlenden Kulleraugen und glucksenden Glücksgefühlen. Es ist ja vielmehr so: Wenn mehr Menschen wüssten, wie viel Zeit und Nerven sie bei Elternabenden lassen werden, würden sie vermutlich noch ein zweites oder drittes Mal überlegen, ob es wirklich so wichtig ist, die eigenen Gene weiterzugeben.
Inhalt
Je kleiner die Stühle, desto elementarer die Probleme
Elternabende sind die Folterinstrumente unserer Zivilisation. Es beginnt schon in der Kita. Hier sind die Stühle, auf denen wir regelmäßig mit anderen Erwachsenen hocken, besonders klein und die Probleme besonders elementar.
Ich erinnere mich noch lebhaft daran, mit welcher Energie allein über Themen wie das mitgebrachte Frühstück diskutiert wurde. Zuviel Zucker oder zu wenig, Vollkorn-Brote oder Kuchen für alle? Muss die kleine Claire-Annabel wirklich diese zuckrigen Dinger in Milch bekommen, weil es sonst passieren kann, dass sie sich schreiend auf den Boden wirft und in die Auslegeware beißt …?
Die Fraktion der Ehrgeizlinge
Irgendwann werden wir dann in die Grundschule befördert. Zumindest das erste Kind. Dies führte bei mir dazu, dass ich direkt drei Elternabende an der Hacke hatte. Einen in der Schule, einen im Hort und dann auch noch weiterhin den im Kindergarten, weil Kind 2 dort ja noch zwei Jahre verweilen durfte.
Beim ersten Elternabend in der Schule traf ich auf einen neuen Elterntyp. Oder er konnte seine Eigenheiten hier einfach besser entfalten: Der Ehrgeizling. Hier reden wir von Müttern und Vätern, die ALLES kontrollieren und bis zum (exzellenten) Abitur ihrer Kinder im Voraus planen müssen. „Ich will aber jeden Abend sehen, auf welchem Leistungsstand mein Sohn sich befindet“, wurde da schmallippig hervorgepresst.
Das offene Lernkonzept der Schule kam solchen Bedürfnissen überhaupt nicht entgegen. Wenn Kinder in ihrem eigenen Tempo entscheiden können, wann sie welche Mathe- oder Deutsch-Aufgaben angehen und Unterlagen sogar – für die Eltern unerreichbar – tagelang in der Schule bleiben, dann droht der Ehrgeizling zu hyperventilieren.
Eltern aus dem Tal der Ahnungslosen und Ängstlichen
Nicht ganz so unangenehm aber doch auch ziemlich nervig sind die Eltern, die permanent Angst haben etwas falsch zu machen und deshalb einen Fragenkatalog zum Elternabend mitbringen, der eher auf ein Tagungswochenende ausgelegt ist.
„Bringen Sie meiner Tochter bei, wie sie ein Lineal halten soll oder sollen wir das tun?“ „Dürfen wir die Hausaufgaben unseres Sohnes erledigen korrigieren?“ „Noah hat Schnupfen, wäre es möglich, dass sie persönlich ihm in der Pause die Jacke anziehen?“ „Sabine sagt, Anna hat gesagt, sie soll nicht immer sagen, dass Ida gesagt hat, Sabine darf nicht Sarah fragen, ob sie ihren Anspitzer benutzen darf …“
Puh, kürzlich habe ich es gewagt, höflich aber bestimmt darum zu bitten, dass auf Elternabenden nur Themen besprochen werden, die wirklich alle (oder zumindest die meisten) Anwesenden interessieren. Ich vermute, ein oder zwei Mütter mögen mich jetzt nicht mehr so gern.
Die Masterfrage: Wer wird Elternsprecher?
Hier gibt es zwei Sorten von Mensch. Den, der solange intensiv auf seine Schuhspitzen starrt, bis der Kelch endlich an ihm vorüber gegangen ist. Und den, der es WILL. Letzterer träumt eigentlich heimlich von einer Karriere in der Politik. Er möchte sein Gesicht auf Plakaten sehen und große Menschen-Mengen mit seiner Rhetorik begeistern.
Ich bin immer sehr froh, wenn keiner dabei ist, der scharf auf den Job ist. Wir fahren alle besser, wenn ein Auf-die-Schuhspitzen-Starrer sich bereit erklärt, das Amt dezent für eine Weile zu übernehmen.
Kürzlich hatte ich das Pech, gleich mit zwei potentiellen Bundeskanzlern in einem Elternabend zu sitzen. Das war schon wieder ein Schauspiel der besonderen Art. Die Herren peitschten sich gegenseitig hoch wie Fünfjährige: „Ich habe die besseren Kontakte zum Hausmeister. Nein ich bin mit dem Hausmeister per du. Dafür trinke ich regelmäßig mit dem Hausmeister eine heiße Milch mit Honig.“
Grausam, ganz grausam. Das Selbstdarsteller-Gen solcher Menschen birgt immer die Gefahr, dass man erst gegen Mitternacht aus dem Neonlicht des Klassenraums entkommt. Auch wenn der Elternabend extra schön früh um 18.30 Uhr begann …
Hilflose Lehrer
Ganz schwierig kann es auch werden, wenn Lehrer nicht die nötige Autorität mitbringen, um 20 Eltern in Schach zu halten. Wer mit der gleichen Anzahl sechsjähriger noch einigermaßen klar kommt, kann an deren Eltern zugrunde gehen.
Bitte stellt nicht zur Diskussion, ob Sechsjährige ihr Smartphone, drei Tüten Erdnuss-Flips oder ihre Kreditkarte mit auf die Kennenlern-Klassenfahrt nehmen sollten. Legt die Regeln bitte vor dem Elternabend fest und kommuniziert sie nur. Denn hierzu wird es (kein Scherz) immer mindestens 8 verschiedene Meinungen geben.
Ein erster Lichtblick
Nun habe ich insgesamt 5 Jahre Kindergarten und bisher vier Jahre Grundschule in Kombination mit dem Hort geschafft. Weitere drei Jahre Grundschule und viele, viele Jahre weiterführende Schule liegen noch vor uns.
Den Elternabend im Hort besuche ich schon seit einiger Zeit gar nicht mehr. Das tut mir ein bisschen Leid für die Erzieherinnen dort, die ihren Job mit sehr viel Liebe und Engagement ausüben. Leider schaffe ich nicht mehr als einen Elternabend in einer Woche (eine Regelung zum Wohle aller). Und deshalb fällt der Hort-Elternabend regelmäßig durch das Raster.
Ein erster Lichtblick waren völlig überraschend die ersten beiden Elternabende an der weiterführenden Schule unserer Wahl. Es gab in den ersten Wochen gleich zwei davon. Was zunächst zu Entsetzen meinerseits führte. Doch: beide verliefen sachlich und angenehm. Ich würde sogar sagen, dass ich mich gut informiert fühle und auch im Kreise der Eltern niemand zu den schlimmen Zeiträubern und Selbstdarstellern zu gehören scheint. Die Lehrer sind ebenso erfahren wie kompetent – wow – vielleicht habe ich das nur geträumt.
Geteiltes Leid ist halbes Leid?
Ich bin also mit dem bisherigen Verlauf des Schuljahres einigermaßen zufrieden.
Vier Elternabende: 1 x mit Nerven- und Zeiträubern, 1 x nicht hingegangen und 2 x angenehm überrascht. Vielleicht gibt es ja doch Hoffnung. Ach ja, den Elternabend im Fußball-Verein habe ich in die kompetenten Hände unseres männlichen Elternteils gelegt. Auch eine Möglichkeit, Nerven zu schonen.
Was ich nie verstehen werde, sind Eltern, die überall im Team auflaufen. Nach welchem Prinzip funktioniert das? „Wenn ich schon leide, soll es dir auch nicht besser gehen?“ Oder steckt dahinter eher die harmonische Einstellung: Geteiltes Leid ist halbes Leid? Vielleicht hat einer von euch ja eine Ahnung?? Vielleicht erklärt mir auch noch jemand, wie das Eltern von vier oder mehr Kindern handhaben?
Und an all die (noch) Kinderlosen da draußen: Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt :-)